19. SONNTAG IM JAHRESKREIS

 

AUS DEM EVANGELIUM NACH LUKAS 12,35-40

 

„Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben.“ Die Gruppe von denen, die damals Christen waren, zu Jesus gehörten, Kirche bildeten - Lukas schreibt sein Evangelium zwischen 80 und 90 nach Christus - diese Gruppe war sehr klein, ohne Macht und Einfluss, und angefochten, heftigst kritisiert. Lukas erinnert sie an Jesus, an bestimmte Worte von ihm, die Mut machen wollen. Sie sollen keine Angst haben, weil Gott „beschlossen hat, ihnen sein Reich zu geben“, d.h. mitten in ihrem Leben für sie da zu sein. Ihr könnt dem Leben trauen, weil Gott es mit euch lebt. Fühlen wir uns von diesen Worten angesprochen?

Immer mehr stellt sich heraus, dass wir als Christen hier in Europa, hier in Österreich, hier in der Großfeldsiedlung zu der „kleinen Herde“ gehören. Jahrhunderte lang war die Kirche groß und mächtig, leider aber nicht immer zu ihrem Wohl. Sie hatte großen Einfluss auf das öffentliche Leben, auf Politik und Kultur und Gesellschaft. Es war vorteilhaft zu ihr zu gehören. Das hat sich geändert. Wo braucht man heute noch diese Kirche, außer als „Verschönerungskulisse“ für bestimmte Familienfeiern, wie z.B. eine Taufe, eine Hochzeit, ein Begräbnis (obwohl das auch schon stark abgenommen hat). Wo braucht man da noch Gott? Immer mehr Menschen können anscheinend auch ohne Gott gut leben. Hat Gott für unser Leben noch eine Bedeutung? Lebt die Mehrheit unserer Gesellschaft in der Praxis eigentlich nicht ohne Gott, sogar auch viele getauften Christen?

„Fürchte dich nicht, du kleine Herde!“ Ein Aufruf gegen Resignation, gegen Müdigkeit und Zweifel. Verliert nicht die Hoffnung, verliert nicht die Kraft. Lasst euren Glauben nicht einschlummern! Bleibt munter! Bleibt wach! In der heutigen ersten Lesung wird uns an Abraham erinnert, der in aussichtslosen, hoffnungslosen Situationen an Gottes Versprechen festgehalten hat, dass er, Gott, für ihn da sein wird. Sein Vertrauen zu Gott war der Grund, warum er nie die Hoffnung aufgegeben hat. Wie hat der Apostel Paulus es gesagt: „Glauben ist Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugt sein von Dingen, die man nicht sieht.“ Vertrauen gegen den Augenschein?

„Fürchte dich nicht, du kleine Herde!“ Bei „kleine Herde“ denken wir meistens an abnehmende Zahlen, weniger Glaubende, weniger Bedeutung in der Gesellschaft. Aber eine kleine Herde kann schlagkräftig sein, schnell, beweglich. Jeder kennt jeden. Alle ziehen an einem Strang. Ein gemeinsames Ziel! Ein Weg durchs Leben! Eine kleine Herde kann eine eigene Dynamik entwickeln, weil sie bestimmte Eigenschaften hat, die im heutigen Evangelium erwähnt werden: hoffen, erwarten, feststehen, überzeugt sein, nicht fürchten, beherzt sein, wach und bereit sein.

Wachsam sein, bewusst etwas von Gott, von Jesus, erwarten. Erwarte ich etwas von meinem Christsein, von meinem Glauben an Gott und an Jesus? Habe ich das Gefühl, dass mir das „etwas gibt“? Eine kleine Glaubensgemeinschaft ist dynamisch und aktiv, wenn Jesus lebendig gegenwärtig ist in jedem einzelnen Mitglied dieser Gemeinschaft. Ist Jesus in meinem Leben spürbar anwesend? Höre ich auf das, was er mir zu sagen hat? Lasse ich zu, dass er mich anspricht, in meinem Herzen „herumrührt“, mich in Frage stellt, mich unruhig macht und mir so den Weg weist? Bin ich wachsam, dass meine Beziehung zu Gott und zu Jesus nicht „einschläft“?

Wachsam sein heißt: Die Beziehung zu Gott und zu Jesus bewusst pflegen, sich um sie kümmern, sie nicht abflauen lassen, damit sie nicht verloren geht. So lange wir das tun, brauchen wir uns nicht zu fürchten, dass unser Leben leer wird, ohne Inhalt. Wir haben eine sinnvolle Zukunft, denn: „Euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben.“ Und: „Freude ohne Ende ist euch gewiss.“ Leben wir als Christen in diesem Bewusstsein und mit diesem Urvertrauen?

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